Discussion:
Fahrpreisnacherhebung DB
(zu alt für eine Antwort)
Arne Thomas
2005-01-26 09:13:07 UTC
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hallo,

habe keine Ahnung ob ich hier richtig bin, aber dennoch:

Fall:
Mein zur Tatzeit 11-jähriger Sohn besitzt eine Monatkarte der DB (2.
Klasse). Er fährt täglich 2 Stationen (8 Minuten) zur Schule und zurück. Ich
habe Ihn vorher erklärt, dass er nicht in der 1. Klasse sitzen darf, sondern
wenn der Zug wie eigentlich immer überfüllt ist, dann halt stehen muss.

Nun denn, er setzte sich (mit einigen anderen) in die 1. Klasse, auch mit
dem Hintergrund "Platz" zu schaffen, weil die Gänge voll waren. Prompt wurde
er erwischt. Sodann wurden seine Personalien wurden aufgenommen, sonst
nichts.

Wochen später erhält mein Sohn von der DB eine Fahrpreisnacherhebung über 40
Euro zuzüglich 5 Euro Mahngebühr? Bei Nichtzahlung Drohung mit Inkasso-Büro.

Ich legte Einspruch ein, mit dem Hinweis die Rechnung ist unbegründet, weil
5 Euro Mahngebühren sich auf eine Mahnung beziehen, die nie abgeschickt
wurde. Außerdem verwies ich darauf, dass auf dem Zahlschein der Name meines
Sohnes steht, der aber kein eigenes Konto, und schon gar nicht ein eigenes
Einkommen hat.

Daraufhin keine Reaktion der DB, nur wieder der Vermerk "Zahlen" +
Mahngebühr, wenn nicht Inkasso.

Wie sieht das denn nun rechtlich aus? Ich nehme mal an, dass die DB meinen
Sohn nicht verklagen kann, da er minderjährig ist. Also müssten die doch
eigentlich mich wegen "Verletzung der Aufsichtspflicht" verklagen, oder?

Bitte keine Beiträge nach dem "Motto" geschieht ihm Recht oder
Gleichbehandlungsgrundsatz (Zitat DB). Wären nicht die 5 Euro Mahngebühr und
diese unglaubliche Arroganz der DB hätte ich je gezahlt. Aber so nicht.

Danke

Arne
Holger Pollmann
2005-01-26 09:27:55 UTC
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Post by Arne Thomas
Wie sieht das denn nun rechtlich aus? Ich nehme mal an, dass die
DB meinen Sohn nicht verklagen kann, da er minderjährig ist.
Zum Rest sage ich nichts, das ist eh umstritten, aber das oben stehende
ist falsch; selbstverständlich kann auch ein Minderjähriger klagen und
verklagt werden. Die Eltern als gesetzliche Vertreter werden dann auch
involviert, aber Ansprüche gegen den Sohn müssen in der Tat gegen eben
diesen Sohn gerichtet werden.
--
( ROT-13 if you want to email me directly: ***@ervzjrexre.qr )
"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl.
Der Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003
Thomas Hochstein
2005-01-26 19:26:55 UTC
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Post by Arne Thomas
Wie sieht das denn nun rechtlich aus? Ich nehme mal an, dass die DB meinen
Sohn nicht verklagen kann, da er minderjährig ist. Also müssten die doch
eigentlich mich wegen "Verletzung der Aufsichtspflicht" verklagen, oder?
Natürlich kann auch Dein Sohn verklagt werden, wobei die Klage dann an
seine gesetzlichen Vertreter - die Eltern - gerichtet wird. Im Falle
eines Falles wäre dann auch gegen ihn zu vollstrecken; wenn er jetzt
nicht genug Geld hat, hat er's vielleicht irgendwann später.

-thh
Andreas Bockelmann
2005-01-30 14:15:41 UTC
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Post by Thomas Hochstein
Natürlich kann auch Dein Sohn verklagt werden, wobei die Klage dann an
seine gesetzlichen Vertreter - die Eltern - gerichtet wird.
Mal eine Laienfrage zum Nachdenken: War der Sohn überhaupt voll
geschäftsfähig? Ich IMHO ist der Beförderungsvertrag in der ersten
Klasse schwebend unwirksam :-)
--
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Bockelmann
F/V +49-69-13306797291
AT
2005-01-31 00:03:08 UTC
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Post by Andreas Bockelmann
Post by Thomas Hochstein
Natürlich kann auch Dein Sohn verklagt werden, wobei die Klage dann an
seine gesetzlichen Vertreter - die Eltern - gerichtet wird.
Mal eine Laienfrage zum Nachdenken: War der Sohn überhaupt voll
geschäftsfähig? Ich IMHO ist der Beförderungsvertrag in der ersten
Klasse schwebend unwirksam :-)
Der Meinung bin ich eigentlich auch.

Arne
Martin Schoenbeck
2005-01-31 08:26:02 UTC
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Hallo Andreas,
Post by Andreas Bockelmann
Mal eine Laienfrage zum Nachdenken: War der Sohn überhaupt voll
geschäftsfähig? Ich IMHO ist der Beförderungsvertrag in der ersten
Klasse schwebend unwirksam :-)
Was schätzt Du, kostet grob der Mehrpreis für die erste Klasse bei einer
Fahrt über zwei Stationen (8 Minuten). In der ersten Klasse zu fahren,
dürfte deshalb problemlos vom Taschengeld bezahlbar sein, somit wohl eher
nicht schwebend unwirksam. Die Frage ist also, wie das ist, wenn er das
zwar bezahlen könnte, aber nicht tut.

Gruß Martin
--
Bitte nicht an der E-Mail-Adresse fummeln, die paßt so.
-------------------------------------------------------
Softwarepatente? Nein, danke. Hier eintragen:
http://petition.eurolinux.org/index_html
Florian Kleinmanns
2005-01-31 08:41:31 UTC
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Post by Martin Schoenbeck
In der ersten Klasse zu fahren,
dürfte deshalb problemlos vom Taschengeld bezahlbar sein, somit wohl eher
nicht schwebend unwirksam. Die Frage ist also, wie das ist, wenn er das
zwar bezahlen könnte, aber nicht tut.
Dann ist der Vertrag schwebend unwirksam. Guck Dir mal die Zeitformen
der Verben in § 110 BGB genau an.

Grüße
Florian
--
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Holger Pollmann
2005-01-31 10:05:50 UTC
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In der ersten Klasse zu fahren, dürfte deshalb problemlos vom
Taschengeld bezahlbar sein, somit wohl eher nicht schwebend
unwirksam. Die Frage ist also, wie das ist, wenn er das zwar
bezahlen könnte, aber nicht tut.
Das ist nicht die Frage, denn das ist im Gesetz eindeutig geregelt: wenn
nicht gezahlt wurde, dann ist § 110 BGB nicht einschlägig. Fertig.

Das war einfach, ne? :-)
--
( ROT-13 if you want to email me directly: ***@ervzjrexre.qr )
"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl. Der
Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003
Martin Schoenbeck
2005-01-31 15:39:33 UTC
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Hallo Holger,
Post by Holger Pollmann
Das ist nicht die Frage, denn das ist im Gesetz eindeutig geregelt: wenn
nicht gezahlt wurde, dann ist § 110 BGB nicht einschlägig. Fertig.
Das war einfach, ne? :-)
Wenn man die richtigen Suchbegriffe in dejure schmeißt, ja. Oder wenn man
den 'Taschengeldparagraphen' auswendig weiß.

Gruß Martin
--
Bitte nicht an der E-Mail-Adresse fummeln, die paßt so.
-------------------------------------------------------
Softwarepatente? Nein, danke. Hier eintragen:
http://petition.eurolinux.org/index_html
Florian Kleinmanns
2005-01-31 08:36:21 UTC
Permalink
Post by Andreas Bockelmann
Post by Thomas Hochstein
Natürlich kann auch Dein Sohn verklagt werden, wobei die Klage dann an
seine gesetzlichen Vertreter - die Eltern - gerichtet wird.
Mal eine Laienfrage zum Nachdenken: War der Sohn überhaupt voll
geschäftsfähig? Ich IMHO ist der Beförderungsvertrag in der ersten
Klasse schwebend unwirksam :-)
Dann hat der Verkehrsunternehmer einen Anspruch aus condictio indebiti
(§ 812 I 1 Alt. 1 BGB). Der wird allerdings keine 45 EUR betragen. ;-)

Grüße
Florian
--
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Jaakob Kind
2005-02-01 17:40:10 UTC
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Post by Florian Kleinmanns
Post by Andreas Bockelmann
Post by Thomas Hochstein
Natürlich kann auch Dein Sohn verklagt werden, wobei die Klage dann an
seine gesetzlichen Vertreter - die Eltern - gerichtet wird.
Mal eine Laienfrage zum Nachdenken: War der Sohn überhaupt voll
geschäftsfähig? Ich IMHO ist der Beförderungsvertrag in der ersten
Klasse schwebend unwirksam :-)
Dann hat der Verkehrsunternehmer einen Anspruch aus condictio indebiti
(§ 812 I 1 Alt. 1 BGB). Der wird allerdings keine 45 EUR betragen. ;-)
Wie gibt man denn eine Bahnfahrt erster Klasse heraus? Sind Dienstleistungen
überhaupt ein Fall für ungerechtfertigte Bereicherung? Oder war das der
Grund für den Smiley?
Und hat die Bahn überhaupt einen Anspruch auf Geld?

Viele Grüße
Jaakob
Florian Kleinmanns
2005-02-01 17:59:54 UTC
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Post by Jaakob Kind
Wie gibt man denn eine Bahnfahrt erster Klasse heraus?
Nach § 818 I BGB.

Grüße
Florian
--
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Jaakob Kind
2005-02-01 20:28:47 UTC
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Post by Florian Kleinmanns
Post by Jaakob Kind
Wie gibt man denn eine Bahnfahrt erster Klasse heraus?
Nach § 818 I BGB.
Hm, § 818 I passt IMHO nicht so recht. Aber § 818 II trifft es ziemlich
gut.

In meinem Gebraucht-Palandt (56. Auflage) finde ich aber gerade, dass
umstritten ist, ob ungerechtfertigte Bereicherung bei Ersparung von
Aufwendungen und infolge Minderjährigkeit unwirksamen Vertrag anzunehmen
ist, da die Haftung dem Minderjährigenschutz widersprechen könnte. Ist
das inzwischen geklärt?

Viele Grüße
Jaakob
Florian Kleinmanns
2005-02-01 21:19:17 UTC
Permalink
Post by Jaakob Kind
Hm, § 818 I passt IMHO nicht so recht. Aber § 818 II trifft es ziemlich
gut.
Sorry, hab' das BGB nicht komplett im Kopf. ;-)
Post by Jaakob Kind
In meinem Gebraucht-Palandt (56. Auflage) finde ich aber gerade, dass
umstritten ist, ob ungerechtfertigte Bereicherung bei Ersparung von
Aufwendungen und infolge Minderjährigkeit unwirksamen Vertrag anzunehmen
ist, da die Haftung dem Minderjährigenschutz widersprechen könnte. Ist
das inzwischen geklärt?
Nicht wirklich. Aber zumindest die Rechtsprechung wird sich wohl am
Flugreise-Fall orientieren; damals hatte der BGH den Wertersatzanspruch
trotz Minderjährigkeit bejaht.

Grüße
Florian
--
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Jaakob Kind
2005-02-02 08:07:55 UTC
Permalink
Post by Florian Kleinmanns
Post by Jaakob Kind
Hm, § 818 I passt IMHO nicht so recht. Aber § 818 II trifft es ziemlich
gut.
Sorry, hab' das BGB nicht komplett im Kopf. ;-)
Kein Problem, du hast mich ja in die richtige Richtung geschickt. Die
Feinnavigation kriege ich dann schon hin.
Post by Florian Kleinmanns
Post by Jaakob Kind
In meinem Gebraucht-Palandt (56. Auflage) finde ich aber gerade, dass
umstritten ist, ob ungerechtfertigte Bereicherung bei Ersparung von
Aufwendungen und infolge Minderjährigkeit unwirksamen Vertrag anzunehmen
ist, da die Haftung dem Minderjährigenschutz widersprechen könnte. Ist
das inzwischen geklärt?
Nicht wirklich. Aber zumindest die Rechtsprechung wird sich wohl am
Flugreise-Fall orientieren; damals hatte der BGH den Wertersatzanspruch
trotz Minderjährigkeit bejaht.
Was war denn da der Sachverhalt? Ohne Ticket kommt man doch gar nicht an
Bord. Oder saß der Minderjährige in der Business Class, obwohl er nur ein
Economy-Ticket hatte?

Viele Grüße
Jaakob
Florian Kleinmanns
2005-02-02 13:37:29 UTC
Permalink
Post by Jaakob Kind
Post by Florian Kleinmanns
Aber zumindest die Rechtsprechung wird sich wohl am
Flugreise-Fall orientieren; damals hatte der BGH den Wertersatzanspruch
trotz Minderjährigkeit bejaht.
Was war denn da der Sachverhalt? Ohne Ticket kommt man doch gar nicht an
Bord. Oder saß der Minderjährige in der Business Class, obwohl er nur ein
Economy-Ticket hatte?
BGHZ 55, 128:
| Der Beklagte flog wenige Tage vor Vollendung seines 18. Lebensjahres
| nach Erwerb eines entsprechenden Flugscheins mit einer Linienmaschine
| der Klägerin von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit den
| Transitpassagieren das Flugzeug wieder zu besteigen und an dem
| Weiterflug nach New York teilzunehmen, ohne daß er im Besitz eines
| Flugscheins für diese Strecke gewesen wäre. In New York wurde ihm die
| Einreise in die USA verweigert, weil er kein Visum hatte. Die Klägerin
| beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag zurück nach München. Sie
| verlangt von ihm unter anderem die Zahlung des tariflichen Flugpreises
| für die Strecke Hamburg/New York.

Da sind gleich zwei interessante Probleme zum Minderjährigenschutz drin:
einmal der Flug nach Amerika (unser Fall, §§ 812, 818 BGB), einmal der
Flug zurück (was der BGH nach den Regeln der Geschäftsführung ohne
Auftrag, §§ 677 ff. BGB, löst).

Grüße
Florian
--
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Holger Pollmann
2005-02-01 20:42:39 UTC
Permalink
Post by Florian Kleinmanns
Post by Jaakob Kind
Wie gibt man denn eine Bahnfahrt erster Klasse heraus?
Nach § 818 I BGB.
Oder nach § 818 II BGB ;-)
--
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"Sie tragen Trauer? Der Untergang der DDR?" - "Nein, Leni Riefenstahl.
Der Führer hat sie zu sich genommen." -- Abschiedsshow Scheibenwischer,
02.10.2003
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