Discussion:
§127 StPO "Jedermann Paragraph"
(zu alt für eine Antwort)
Davorin Scharping
2010-03-19 16:10:08 UTC
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Hallo zusammen,

der 127er gilt ja für jeden, heißt ja "jedermann".

Eine Bekannte ist Verkäuferin und beharrt auf ihrem Standpunkt, dass sie
einen Ladendieb nicht festhalten dürfe.
Das habe sie bei bisher allen Arbeitgebern durch Schulungen von
Rechtsanwälten so gesagt bekommen.

Aber Jeder ist doch Jeder und nicht jeder außer... Verkäuferin, oder?

Sie läßt sich nicht einmal auf eine Diskussion ein, dass das vom
Arbeitgeber so vorgegeben ist, um Leib und Leben zu schützen, weil man
ja nicht wissen kann, wie der Dieb reagiert.
Also lieber laufen lassen, als Körperschaden riskieren.

Oder dürfen Verkäuferinnen das rechtlich tatsächlich nicht nach $127 StPO?
Das ungerechtfertigt Festgehaltene irgendwie eine Anzeige machen können,
ist dabei ja ersteinmal irrelevant, weil es nur eine Folge, aber kein
Hinderungsgrund für eine vorläufige Festnahme ist.

Ich denke zwar, dass es ihr egal ist, wenn hier das jemand darstellt,
dass 127 für wirklich jeden, auch Verkäuferinnen gilt, aber wer weiß,
vielleicht ist sie ja doch lernfähig und versteht, dass es doch eine
Dienstanweisung ihres Arbeitgebers ist.

Gruß
Davorin
Harald Hengel
2010-03-19 16:47:09 UTC
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Post by Davorin Scharping
Eine Bekannte ist Verkäuferin und beharrt auf ihrem Standpunkt, dass
sie einen Ladendieb nicht festhalten dürfe.
Das habe sie bei bisher allen Arbeitgebern durch Schulungen von
Rechtsanwälten so gesagt bekommen.
Dann hat sie es wohl falsch verstanden oder ihr habt euch
Missverstanden.
Einen vermeintlichen Ladendieb darf sie nicht festhalten, obwohl es da
eine paar kleine Ausnahmen gibt.
Einen echten immer.
Post by Davorin Scharping
Sie läßt sich nicht einmal auf eine Diskussion ein, dass das vom
Arbeitgeber so vorgegeben ist, um Leib und Leben zu schützen, weil man
ja nicht wissen kann, wie der Dieb reagiert.
Das hat nun mit dürfen nichts zu tun.
Ein Bekannter hat miterlebt, wie ein Ladendieb, der verfolgt wurde einen
auf der Rolltreppe im Weg stehenden Passanten kurzerhand über das
Geländer hob und ihn rund 3-4 Meter hinuntergworfen hat.
Post by Davorin Scharping
Also lieber laufen lassen, als Körperschaden riskieren.
Wenn der Chef das so sieht, dann kannst du nichts dagegen einwenden.
Post by Davorin Scharping
Oder dürfen Verkäuferinnen das rechtlich tatsächlich nicht nach $127
StPO? Das ungerechtfertigt Festgehaltene irgendwie eine Anzeige
machen können, ist dabei ja ersteinmal irrelevant, weil es nur eine
Folge, aber kein Hinderungsgrund für eine vorläufige Festnahme ist.
Um jemanden festzuhalten brauchst du eine Rechtfertigung, ein einfacher
Verdacht reicht nicht, ansonsten machst du dich strafbar.
Post by Davorin Scharping
Ich denke zwar, dass es ihr egal ist, wenn hier das jemand darstellt,
dass 127 für wirklich jeden, auch Verkäuferinnen gilt, aber wer weiß,
vielleicht ist sie ja doch lernfähig und versteht, dass es doch eine
Dienstanweisung ihres Arbeitgebers ist.
Niemand darf wegen reinem Verdacht jemanden festhalten.

Harald
Tom Rohwer
2010-03-20 22:46:35 UTC
Permalink
Post by Harald Hengel
Dann hat sie es wohl falsch verstanden oder ihr habt euch
Missverstanden.
Einen vermeintlichen Ladendieb darf sie nicht festhalten, obwohl es da
eine paar kleine Ausnahmen gibt.
Einen echten immer.
Das ist ja der kleiner Haken beim §127... Wenn sich der vermeintliche
Ladendieb, den man festgehalten hat, als tatsächlicher Ladendieb
entpuppt, ist man fein raus. Entpuppt er sich als unschuldiger korrekter
Kunde, hat man schnell ein Problem. Dann hilft einem nur noch der
"unvermeidbare Verbotsirrtum", also z.B. daß man nicht anders konnte,
als den Betreffenden für einen Ladendieb zu halten...

Die Polizei hat da eine deutliche höhere "Fehlertoleranz" - die kann bei
einem hinreichenden Tatverdacht mutmaßliche Täter und sogar Zeugen
erstmal an Ort und Stelle festhalten, zwecks Personalienaufnahme, ggf.
Durchsuchung usw.
Christoph Brüninghaus
2010-03-20 23:00:36 UTC
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Post by Tom Rohwer
Dann hat sie es wohl falsch verstanden oder ihr habt euch Missverstanden.
Einen vermeintlichen Ladendieb darf sie nicht festhalten, obwohl es da
eine paar kleine Ausnahmen gibt.
Einen echten immer.
Das ist ja der kleiner Haken beim §127... Wenn sich der vermeintliche
Ladendieb, den man festgehalten hat, als tatsächlicher Ladendieb
entpuppt, ist man fein raus. Entpuppt er sich als unschuldiger korrekter
Kunde, hat man schnell ein Problem. Dann hilft einem nur noch der
"unvermeidbare Verbotsirrtum", also z.B. daß man nicht anders konnte,
als den Betreffenden für einen Ladendieb zu halten...
Das stimmt so nicht, so einfach ist das nicht. Zum Einen sind die
Voraussetzungen, insebsondere der notwendige Verdachtsgrad und auch die
Behandlung eines Irrtums umstritten, zum Anderen kommt es, wie immer,
darauf an, worüber der Festnehmende irrt.
Post by Tom Rohwer
Die Polizei hat da eine deutliche höhere "Fehlertoleranz" - die kann bei
einem hinreichenden Tatverdacht mutmaßliche Täter und sogar Zeugen
erstmal an Ort und Stelle festhalten, zwecks Personalienaufnahme, ggf.
Durchsuchung usw.
Der wesentliche Unterschied ist, dass die Polizei, soweit sie als ein
Strafverfolgungsorgan handelt, zur Festnahme verpflichtet ist während
ein Bürger dagegen frei von Verfolgungspflichten ist.
Schon aus diesem Grund muss man das Strafverfolgungsorgan bei
Irrtumsfragen sicherlich previlegieren.

Christoph
Klaus-Holger Trappe
2010-03-19 19:57:55 UTC
Permalink
Hallo,

Davorin Scharping schrieb:

sie muß dich aber nicht festhalten!
Post by Davorin Scharping
Hallo zusammen,
der 127er gilt ja für jeden, heißt ja "jedermann".
Eine Bekannte ist Verkäuferin und beharrt auf ihrem Standpunkt, dass sie
einen Ladendieb nicht festhalten dürfe.
Das habe sie bei bisher allen Arbeitgebern durch Schulungen von
Rechtsanwälten so gesagt bekommen.
Aber Jeder ist doch Jeder und nicht jeder außer... Verkäuferin, oder?
Sie läßt sich nicht einmal auf eine Diskussion ein, dass das vom
Arbeitgeber so vorgegeben ist, um Leib und Leben zu schützen, weil man
ja nicht wissen kann, wie der Dieb reagiert.
Also lieber laufen lassen, als Körperschaden riskieren.
Oder dürfen Verkäuferinnen das rechtlich tatsächlich nicht nach $127 StPO?
Das ungerechtfertigt Festgehaltene irgendwie eine Anzeige machen können,
ist dabei ja ersteinmal irrelevant, weil es nur eine Folge, aber kein
Hinderungsgrund für eine vorläufige Festnahme ist.
Ich denke zwar, dass es ihr egal ist, wenn hier das jemand darstellt,
dass 127 für wirklich jeden, auch Verkäuferinnen gilt, aber wer weiß,
vielleicht ist sie ja doch lernfähig und versteht, dass es doch eine
Dienstanweisung ihres Arbeitgebers ist.
Gruß
Davorin
--
Viele Gruesse Klaus-Holger Trappe
(E-Mail hierauf verbleibt unbeachtet)
Claus Färber
2010-03-20 12:00:00 UTC
Permalink
Post by Davorin Scharping
Ich denke zwar, dass es ihr egal ist, wenn hier das jemand darstellt,
dass 127 für wirklich jeden, auch Verkäuferinnen gilt, aber wer weiß,
vielleicht ist sie ja doch lernfähig und versteht, dass es doch eine
Dienstanweisung ihres Arbeitgebers ist.
Was versprichst du dir dann von einer Diskussion hier?

Claus
Harald Hengel
2010-03-20 14:51:08 UTC
Permalink
Post by Claus Färber
Post by Davorin Scharping
Ich denke zwar, dass es ihr egal ist, wenn hier das jemand darstellt,
dass 127 für wirklich jeden, auch Verkäuferinnen gilt, aber wer weiß,
vielleicht ist sie ja doch lernfähig und versteht, dass es doch eine
Dienstanweisung ihres Arbeitgebers ist.
Was versprichst du dir dann von einer Diskussion hier?
Vielleicht versteht er die Dienstanweisung nicht.
Es kommt sicher auch auf die Werte an, die gestohlen werden können.
Im Lebensmittelhandel sind je Einzelfall ein paar Euros, da ist dem AG
das Risiko eines Ausfalls einer Arbeitskraft wegen eines Kleinbetrages
zu hoch, das kommt dann letztlich deutlich teurer.
Als weiteres kommt hinzu, dass das Festnahmerecht sehr enge Grenzen hat
und wenn ein zu unrecht festgehaltener eine Anzeige erstattet weil der
AN dieses auf Dienstanweisung getan hat, ist der AG auch mit dran.
Wie schon gesagt ein reiner Verdacht reicht nicht, die Abgrenzung ist
sehr schwierig, wenn du nicht defintiv gesehen hast, dass etwas
eingesteckt wurde und etwas gefunden wird.
Es gab zwar Freisprüche für Festhalter, wenn der Verdacht durch gewisse
Handlungen ausreichend begründet war, aber da bist du in einer weiten
Grauzone, je nach Haltung des Richters.

Harald
Ralf Teschenbaum
2010-03-20 17:33:20 UTC
Permalink
Post by Davorin Scharping
Hallo zusammen,
der 127er gilt ja für jeden, heißt ja "jedermann".
Eine Bekannte ist Verkäuferin und beharrt auf ihrem Standpunkt, dass sie
einen Ladendieb nicht festhalten dürfe.
Von privaten Wahleuten höre ich immer, dass der 127er ihre einzige
Rechtsgrundlage wäre.
Post by Davorin Scharping
Das habe sie bei bisher allen Arbeitgebern durch Schulungen von
Rechtsanwälten so gesagt bekommen.
Ich vermute eine Dienstanweisung.
Für diese Annahme sprechen auch einige gute Gründe: Wüste Schlägereien des
Personals mit ertappten Ladendieben verunsichern die ehrliche Kundschaft und
bringen dem Laden vielleicht einen schlechten Ruf.
Bei Verletzungen der Verkäuferin zahlt der AG bis zu 6 Wochen den Lohn
weiter, so dass Eigeninitiative gegen Ladendiebstahl auch wirtschaftlich für
den AG ein Risiko ist.
mock
2010-03-20 17:42:11 UTC
Permalink
Post by Ralf Teschenbaum
Ich vermute eine Dienstanweisung.
Für diese Annahme sprechen auch einige gute Gründe: Wüste Schlägereien des
Personals mit ertappten Ladendieben verunsichern die ehrliche Kundschaft und
bringen dem Laden vielleicht einen schlechten Ruf.
Bei Verletzungen der Verkäuferin zahlt der AG bis zu 6 Wochen den Lohn
weiter, so dass Eigeninitiative gegen Ladendiebstahl auch wirtschaftlich für
den AG ein Risiko ist.
Es wird also das Beste sein, man stiehlt etwas, was weniger als 50 €
wert ist, zeigt es in die Überwachungskamera, und erweist sich bei
einer evtuellen Ansprache als renitent.
Stefan Schmitz
2010-03-20 18:55:34 UTC
Permalink
Post by Ralf Teschenbaum
Von privaten Wahleuten höre ich immer, dass der 127er ihre einzige
Rechtsgrundlage wäre.
Mir wollte mal einer das Gegenteil weismachen:
Ein Sachkundenachweis berechtige ihn angeblich dazu, jeden zu
durchsuchen.
Tom Rohwer
2010-03-20 22:48:41 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Ralf Teschenbaum
Von privaten Wahleuten höre ich immer, dass der 127er ihre einzige
Rechtsgrundlage wäre.
Ein Sachkundenachweis berechtige ihn angeblich dazu, jeden zu
durchsuchen.
Ihm dabei ggf. eins auf die Nase zu hauen wäre in ziemlich weitem Umfang
durch §§ 32,33 StGB gedeckt... ;-]]
Harald Hengel
2010-03-21 00:47:05 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Ein Sachkundenachweis berechtige ihn angeblich dazu, jeden zu
durchsuchen.
Der Sachkundenachweis war wohl nichts wert. ;-)

Naja egal, wenn du dich überreden und freiwillig durchsuchen lässt ist
das ja legal. ;-)

Harald

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