Discussion:
Schenkung unterlaeuft Vorkaufsrecht?
(zu alt für eine Antwort)
Ralf Kusmierz
2006-08-17 03:04:14 UTC
Permalink
X-No-Archive: Yes

begin Text


Moin,

wegen des aktuellen Falls: gem. § 463 BGB ist Voraussetzung für die
Ausübung eines Vorkaufsrechts der Abschluß eines Kaufvertrags mit
einem Dritten. Offenbar tritt ein Vorkaufrecht nicht in jedem Fall der
Veräußerung in Kraft: bei einer Vererbung ist es jedenfalls nicht
wirksam.

Aber es kann ja nun irgendwie nicht sein, daß ein bestehendes
Vorkaufsrecht durch eine Schenkung ausgehebelt werden kann. Gibt es
dazu Entscheidungen?

Ich würde ja mal frech behaupten, daß ein Schenkungsvertrag ein
Kaufvertrag zum Preis Null ist, womit der Vorkaufsberechtigte das
Recht erlangt, als Beschenkter in den Vertrag einzutreten, und sich
folglich die Sache ohne Bezahlung unter den Nagel reißen kann.

Die Argumentation mit dem "Umgehungsgeschäft" (Schenkung mit Übernahme
von Schulden, die den Schätzwert überschreiten, durch den Beschenkten)
hilft wohl wenig weiter: der Nachweis, daß die Schuldenübenahme in
einem kaufpreisähnlichen Sachzusammenhang mit der Übereignung steht,
dürfte eher schwerfallen. Allerdings wäre die Abstreitung für den
Schenker ein Eigentor: erhält er einen Betrag in Höhe der fälligen
Schulden ohne Gegenleistung, dann wäre für die beiderseitigen
Geschenke Schenkungssteuer fällig: für die Immobilie auf der Grundlage
des Schätzwerts, und für die Schuldenübernahme in deren Höhe.

(Seltsamerweise gilt der Verzicht auf Forderungen nicht als Schenkung
- steuerrechtlich auch nicht?)

Jedenfalls bin ich höchst verwundert, daß eine Schenkung ein
Vorkaufsrecht vernichten können sollte - das kann doch wohl nicht
sein. Wie ist es?


Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
gesamt hältst Immission interessiert korreliert korrigiert Laie
nämlich offiziell parallel reell Satellit Standard Stegreif voraus
gUnther DDHENDW
2006-08-17 05:22:41 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Aber es kann ja nun irgendwie nicht sein, daß ein bestehendes
Vorkaufsrecht durch eine Schenkung ausgehebelt werden kann. Gibt es
dazu Entscheidungen?
hi,
ianal,
daher meine ansicht dazu. koentne doch sein, dass das vorkaufsrecht der
stadt eines ist, das nicht wie normale vorkaufsrechte entstehen, sondern
eine art oertliche regelung darstellt. z.b. um zu verhindern, dass ein
wichtiges gelaende unguenstig verwendet (muellverbrennung, forensische
psychiatrie) oder an nichtansaessige (bayern, auslaender) veraeussert wird.
also mehr eine art verkaufsvetorecht, das faktisch ein vorkaufsrecht
impliziert. da waere eine schenkung dann ein ausweg, solange eben die
hinderungsgruende wegfielen. solange das haus also erhalten wird, lediglich
"umgewidmet" zu einer verwandten benutzung, und im besitz ortsansaessiger
firmen/personen bleibt, waere die schenkung eine gutgekratzte kurve.
ein richtiges vorkaufsrecht wird ja auch nirgends erwaehnt, alle "wollen es
pruefen" lassen. und die stadt scheint sehr ueberrascht zu sein. alleine der
gedanke, dass eine groessere stadt sowas nicht bedenkt.....haben die keine
rechtsabteilung?
wenn da schriftlich steht, dass jede eigentuemeraenderung erst der stadt
vorgelegt werden und von dieser genehmigt werden muss, waer der fall doch
kristallklar. vermutlich steht da eher drin, dass der stadt ein verkauf
angezeigt werden muss, wenn blabla blubberblubb sahnesteif...
und da bei einer schenkung kein verkauf stattfindet....muss die stadt nicht
"gefragt" werden.
--
lachen ist gesund,
gUnther
Wolfgang Fieg
2006-08-17 10:00:15 UTC
Permalink
[viel Spekulatives]
Wenn ich die Medienberichte richtug verstanden habe, handelt es sich um ein
Vorkausfsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (Vorkausfsrecht an einem
Grundstück in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet)

Wolfgang
Wolfgang Fieg
2006-08-17 10:09:10 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Jedenfalls bin ich höchst verwundert, daß eine Schenkung ein
Vorkaufsrecht vernichten können sollte - das kann doch wohl nicht
sein. ...
Natürlich nicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht bleibt ja bestehen, auch
wenn es bei einer Schenkung nicht ausgeübt werden kann.

Die Frage ist aber, ob es sich bei der in Delmenhorst angedachten
'Schenkung' nicht in Wahrheit um eine Art Kauf handelt, der die Gemeinde
dann eben doch zur Ausübung des Vorkaufsrechts berechtigt. Da kommt es wohl
entscheidend auf die Frage 'Unentgeltlichkeit oder nicht' an und die
Übernahme der Verbindlichkeiten durch den 'Beschenkten' deutet auf eine
Gegenleistung, also eher auf Entgeltlichkeit hin.

Wolfgang
Ralf Kusmierz
2006-08-17 11:03:02 UTC
Permalink
X-No-Archive: Yes
Post by Wolfgang Fieg
Post by Ralf Kusmierz
Jedenfalls bin ich höchst verwundert, daß eine Schenkung ein
Vorkaufsrecht vernichten können sollte - das kann doch wohl nicht
sein. ...
Natürlich nicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht bleibt ja bestehen, auch
wenn es bei einer Schenkung nicht ausgeübt werden kann.
Eben das leuchtet mir nicht ein. Vorkaufsrecht bedeutet doch, die
Sache zu gleichen Bedingungen wie ein Dritter erwerben zu können - das
müßte im Prinzip auch für eine unentgeltliche Übereignung gelten.
Post by Wolfgang Fieg
Die Frage ist aber, ob es sich bei der in Delmenhorst angedachten
'Schenkung' nicht in Wahrheit um eine Art Kauf handelt, der die Gemeinde
dann eben doch zur Ausübung des Vorkaufsrechts berechtigt. Da kommt es wohl
entscheidend auf die Frage 'Unentgeltlichkeit oder nicht' an und die
Übernahme der Verbindlichkeiten durch den 'Beschenkten' deutet auf eine
Gegenleistung, also eher auf Entgeltlichkeit hin.
Das ist eine ganz andere Frage.


Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
gesamt hältst Immission interessiert korreliert korrigiert Laie
nämlich offiziell parallel reell Satellit Standard Stegreif voraus
Florian Kleinmanns
2006-08-17 18:19:54 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Post by Wolfgang Fieg
Natürlich nicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht bleibt ja bestehen, auch
wenn es bei einer Schenkung nicht ausgeübt werden kann.
Eben das leuchtet mir nicht ein. Vorkaufsrecht bedeutet doch, die
Sache zu gleichen Bedingungen wie ein Dritter erwerben zu können
Was hältst Du davon, mal §§ 24 ff. BauGB zu lesen?

Grüße
Florian
--
Mail to the "From" address will be silently discarded. Use the
"Reply-To" address only.
Ralf Kusmierz
2006-08-17 20:26:50 UTC
Permalink
X-No-Archive: Yes
Post by Florian Kleinmanns
Post by Ralf Kusmierz
Post by Wolfgang Fieg
Natürlich nicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht bleibt ja bestehen, auch
wenn es bei einer Schenkung nicht ausgeübt werden kann.
Eben das leuchtet mir nicht ein. Vorkaufsrecht bedeutet doch, die
Sache zu gleichen Bedingungen wie ein Dritter erwerben zu können
Was hältst Du davon, mal §§ 24 ff. BauGB zu lesen?
Falls Du 28 III meinst: guter Punkt.

Die Frage war aber, ob das Vorkaufsrecht durch "Schenkung" ausgehebelt
werden kann - dazu finde ich dort auch nichts.

Teleologisch würde ich nämlich argumentieren, daß das Vorkaufsrecht
den Sinn hat, nach Art einer Enteignung die Durchsetzung öffentlicher
Belange (Bauleitplanung) zu ermöglichen, indem ein Verkehrsverbot
verhängt wird - sobald sich der Eigentümer von seinem Grundstück
trennen und die bisherige Nutzung aufgeben will, kommt die Öffentliche
Hand zum Zuge. Natürlich ist der Gesetzgeber dabei von dem
"Normalfall" der Übertragung durch einen Kaufvertrag ausgegangen.

Es kann aber doch eben nicht sein, daß jemand diesen Gesetzeszweck
unterlaufen kann, indem er, bloß um den Staat zu ärgern bzw. seinen
Willen durchzusetzen, auf einen Kaufpreis verzichtet und die Immobilie
verschenkt.


Gruß aus Bremen
Ralf
--
R60: Substantive werden groß geschrieben. Grammatische Schreibweisen:
adressiert Appell asynchron Atmosphäre Autor bißchen Ellipse Emission
gesamt hältst Immission interessiert korreliert korrigiert Laie
nämlich offiziell parallel reell Satellit Standard Stegreif voraus
Florian Kleinmanns
2006-08-17 20:38:04 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Post by Florian Kleinmanns
Post by Ralf Kusmierz
Post by Wolfgang Fieg
Natürlich nicht, das gemeindliche Vorkaufsrecht bleibt ja bestehen, auch
wenn es bei einer Schenkung nicht ausgeübt werden kann.
Eben das leuchtet mir nicht ein. Vorkaufsrecht bedeutet doch, die
Sache zu gleichen Bedingungen wie ein Dritter erwerben zu können
Was hältst Du davon, mal §§ 24 ff. BauGB zu lesen?
Falls Du 28 III meinst: guter Punkt.
Die Frage war aber, ob das Vorkaufsrecht durch "Schenkung" ausgehebelt
werden kann - dazu finde ich dort auch nichts.
Dazu hat sich der BGH (NJW 1979, 875) geäußert:
Eine Schenkung sei kein Kauf.

Grüße
Florian
--
Mail to the "From" address will be silently discarded. Use the
"Reply-To" address only.
Wolfgang Fieg
2006-08-17 20:55:54 UTC
Permalink
Post by Ralf Kusmierz
Teleologisch würde ich nämlich argumentieren, daß das Vorkaufsrecht
den Sinn hat, nach Art einer Enteignung die Durchsetzung öffentlicher
Belange (Bauleitplanung) zu ermöglichen, indem ein Verkehrsverbot
verhängt wird - sobald sich der Eigentümer von seinem Grundstück
trennen und die bisherige Nutzung aufgeben will, kommt die Öffentliche
Hand zum Zuge.
Ja, das ist im Prinzip schon richtig, wobei eben die Abwägung der
öffentlichen Belange mit den Interessen des bisherigen Eigentümers den
Gesetzgeber dazu bestimmt hat, den Gemeinden beim Verkauf ein
Vor*kaufs*recht, bei der Schenkung (der echten - nicht der fingierten, wie
wahrscheinlich in Delmenhorst) aber kein unentgeltliches Eintrittsrecht (um
ein solches würde es sich ja handeln) einzuräumen.

Dahinter verbirgt sich folgende Überlegung: In die Rechte des Verkäufers
wird bei der Ausübung des Vorkaufsrechts ja nur sehr wenig eingegriffen. Er
kann nicht mehr an den verkaufen, an den er gerne möchte, das ist aber auch
einzige Folge. Alles andere, Kaufpreis und sonstige Verkaufsbedingungen
bleiben gleich. Da der Verkäufer sich ja in jedem Falle von seinem Eigentum
trennen will und - typischerweise - in der Hauptsache am Erlös interessiert
ist, werden seine (objektivierbaren) Belange durch die Ausübung des
gemeindlichen Vorkaufsrechts kaum tangiert.

Ander sieht es bei der Schenkung aus. Hier will sich der Eigentümer ja nicht
bloß von seinem Eigentum trennen, sondern es einem ganz bestimmten Erwerber
zuwenden. Zu diesem bestehen idR besondere Beziehungen, und zwar von solch
enger Natur, daß sie den bisherigen Eigentümer zur unentgeltlichen
Übertragung eines Vermögensgegenstandes von meist erheblichem Wert
bestimmen. Es liegt auf der Hand, daß der Schenker die Schenkung eben nur an
diesen Beschenkten und an keinen anderen machen will. Schon die Möglichkeit,
daß sein Verfügungskonzept durch die Ausübung irgend eines Eintrittrechts
eines Dritten vereitelt werden könnte, würde ihn meist gerade von der
Schenkung überhaupt Abstand nehmen lassen.

Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber bei der Schenkung die öffentlichen
Belange, die es da natürlich in gleicher Weise gibt, zurücktreten lassen
gegen das Interesse des Eigentümers an der Verwirklichung seiner
Vorstellungen. Unüberwindliche Probleme entstehen dadurch nicht: das
Vorkaufsrecht erleichtert der Gemeinde die Durchsetzung öffentlicher Belange
(z. B. der Bauleitplanung), aber die muß sie auch durchzusetzen trachten,
wenn gar kein Erwerbsvorgang stattfindet, es also kein ausübbares
Vorkaufsrecht gibt. In diesem Falle muß sie nolens volens auf die übrigen
Instrumente besinnen, die das Baurecht ihr bietet.

Wolfgang

Loading...